Er hat sich offenbar gut damit arrangiert: Julian Leske (27) aus Haan bei Wuppertal erzählte fast eine Stunde lang beim Roten Kreuz im Kreis Borken, wie er als Autist mit Asperger-Syndrom lebt. „Mein Leben mit Autismus“ ist eine Geschichte „aus einem Leben ohne Emotionen“, wie er sagte – eine authentische Schilderung, die interessanter, informativer und ansprechender kaum hätte sein können.
Julian Leske machte deutlich, dass seine Ausführungen nur auf ihn persönlich zuträfen, nicht auf andere. In seiner Kindheit hätte das familiäre Umfeld gesagt, er würde „wie ein kleiner Professor“ auftreten. „Doch das kann ich nicht nachvollziehen.“ Julian Leske erzählte seine Lebensgeschichte höchst humorvoll – das kam an. Ein Therapeut habe ihm mit 18 Jahren gesagt, „ich sei auch als Autist durchaus vorzeigbar“. Das habe er sich zu Herzen genommen und festgestellt, dass er ohne Schwierigkeiten vor 150 Menschen referieren könne.
Tun, was Spaß macht – zum Beispiel Bahn fahren
Mit Mathematik habe er so seine Schwierigkeiten. Nach der Schule habe er eine Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt begonnen: „Das war ein Kampf, der gewonnen wurde.“ Leske arbeitet bei einem großen Versicherungsunternehmen in Köln als Verwaltungsfachangestellter, derzeit in einer Filiale in Bonn. Dort fährt er täglich mit dem Zug hin, wie er überhaupt in seiner Freizeit das macht, „woran ich Spaß habe“. Dazu gehöre an erster Stelle Bahn fahren, außerdem neue Menschen kennenzulernen.
Sein Ziel sei es, über „zahleiche autistische Existenzen aufzuklären“, sich neuen Herausforderungen zu stellen. „Zusammenfassend kann man sagen: Länder, Menschen, Abenteuer.“ Die Frage, ob Autismus eine Behinderung sei, bejahte der 27-Jährige: „Ich fühle mich behindert.“ Er benötige sein Leben lang einen Mittler, „jemand, der mein Leben dekodiert“. Er schätze den Anteil von Menschen mit Autismus in Deutschland auf ein Prozent der Bevölkerung, auf mithin mehr als 800.000 Personen. Laut Leske werden es immer mehr, weil Autismus früher erkannt werde als noch vor Jahren. Diese Einschätzung teilt sich auch mit den Erfahrungen, die die Autismusambulanz beim Roten Kreuz in den vergangenen 15 Jahren gemacht hat.
Für Julian Leske ist vor allem eines wichtig: „Weiterbildung. Immer offen sein für andere Menschen, mit Kritik offen umgehen, positiv denken.“ Autismus und Persönlichkeit bilden seiner Meinung nach „eine Symbiose. Ich erlebe Autismus wie einen Speckstein, der in der Hand angewachsen ist. Im Laufe der Zeit ist der Speckstein durchaus formbar.“