In Gronau wird das erste SOT-Team (Selbstorganisiertes Team) beim Roten Kreuz im Kreis Borken von Anja Palesch begleitet. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht hat, Pflegeteams zu beraten und unterstützt sie, sich selbst zu organisieren. Die Teams bestehen aus maximal acht Pfleger*innen.
Selbstbestimmtes Arbeiten – nicht getrieben von engmaschigen Zeitvorgaben
Einer der Kernpunkte ist ein selbstbestimmtes Arbeiten – nicht getrieben zu sein von engmaschigen Zeitvorgaben durch den täglichen Pflegealltag. Sich aufeinander verlassen zu können und sich gegenseitig zu ergänzen, ohne ständig überfordert zu sein – das ist ein großer Wunsch des Teams, wie es dies selbst formulierte. Dabei gehe es auch um folgende Schwerpunkte, erklärt Susanne Biallas, Fachbereichsleiterin Pflege beim Roten Kreuz im Kreis Borken: „Beratung der Pflegebedürftigen und Angehörigen sowie die Gestaltung eines guten Pflegemilieus unter Einbeziehung tragender Strukturen von Nachbarschaften und bürgerschaftlich Engagierten. Das steht im Mittelpunkt. Und auch die Versorgung der Patienten in ambulanten Wohnformen nimmt eine wesentliche Rolle ein.“
Pflegeberaterin Palesch: „Es ist natürlich nicht neu, Teams in der ambulanten Pflege selbstorganisiert arbeiten zu lassen.“ Vor einigen Jahren sei aus den Niederlanden das sogenannte Buurtzorg-Modell als ganzheitliches Konzept auf den Weg gebracht worden. „Die Umsetzung gestaltet sich im deutschen Pflegealltag zum Teil durchaus schwierig“, meint Pflegeberaterin Palesch. Die Gründe seien vielfältig. Zahlreiche Träger stehen demnach in einer Versuchsphase, einige seien bereits an diversen Hürden gescheitert, andere glücklich, einen ersten großen Schritt gemacht zu haben. Letztlich handelt es sich um einen Entwicklungsprozess, der immer weitergehe.
Möglichkeiten des Systems ausloten und optimal gestalten
„Uns hat die Idee begeistert, einen gemeinsamen Weg unter Berücksichtigung der gesetzlichen Anforderungen und Rahmenbedingungen hier vor Ort zu entwickeln“, sagt Susanne Biallas vom Roten Kreuz im Kreis Borken. Es soll ein Weg gefunden werden, der den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht werde und der die Pflegetätigkeit für Pflegekräfte in der ambulanten Versorgung wieder attraktiver mache. Biallas: „Dabei soll nicht das gesamte Pflegesystem in Frage gestellt, sondern es sollen die jetzigen Möglichkeiten des Systems ausgelotet und optimal ausgestaltet werden.“
Pflegekräfte bringen ihre Erfahrungen ein
„Gemeinsames Lernen in die tägliche Arbeit einzubeziehen und viele kleine Mikroschulungen aufzubauen, ist für uns alle neu“, betont Claudia Alfert als Qualitätsmanagementbeauftragte des Pflegedienstes. Alfert: „Es bringt aber viele neue Erkenntnisse für uns, ohne den Einzelnen zu sehr zu belasten. Die Pflegekräfte bringen ihre Erfahrungen ein und verfügen über ein fundiertes Wissen in vielen Bereichen. Gut ausgebildete Mitarbeiter sind motivierter und können sich viel besser gegenseitig unterstützen.“
Auch der Aufbau einer unterstützenden Verwaltung und das Nutzen digitaler Strukturen sei eine große Aufgabe. Das sei mit Hilfe der Mitarbeitenden leistbar, bekräftigt André Pazek aus der Sicht der Verwaltung: „Wichtig ist, dass teamübergreifend vertrauensvoll zusammengearbeitet wird.“
Das Team in Gronau hofft, mit dieser neuen Struktur weitere Pflegekräfte zu finden, die selbstständiger arbeiten möchten und bereit sind, ihren eigenen Arbeitsalltag zu gestalten. „Fehler gehören in diesem Prozess dazu“, hieß es bei ersten Treffen in Gronau: „Statt Schuldige zu suchen, werden tragfähige Lösungen im Team erarbeitet und gemeinsam umgesetzt.“ Anfragen von Patienten gibt es laut der Rotkreuz-Mitteilung viele. „Daher möchten wir unsere Teams erweitern, um die Versorgung gut zu gestalten“, beschreibt Einsatzleiter André Sendner die Situation in Gronau, die durchaus auf die Region übertragbar sei. Das Team ist optimistisch, so Sendner, und erhofft sich eine gute und tragfähige Zusammenarbeit und damit auch eine Vorbildfunktion für andere Pflegekräfte.
Ein Weg für eine bessere Zukunft der ambulanten Pflege
Am Ende des Prozesses steht demnach nicht, dass jeder macht, was er will, sondern jeder macht das, was er am besten kann. Auch der Betriebsrat der Pflege des Deutschen Roten Kreuzes ist an diesem Prozess beteiligt.
Das Team in Gronau fasst den Start so zusammen: „Alle sind sich einig: Dies kann ein Weg für eine bessere Zukunft der ambulanten Pflege sein.“
Dafür bediene es sich einer vor allem in Afrika bekannten Lebensweisheit: „Wenn du schnell gehen willst, dann geh‘ alleine. Wenn du weit gehen willst, dann musst du mit anderen zusammen gehen.“